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Die Texte im Go!Special am 05.07.2020

Im Go!Special am 5. Juli war alles anders: Es gab keine Predigt und kein Kreuzverhör, aber verschiedene Stationen, um etwas anders zu machen oder anders zu erleben. Im Gottesdienst kamen verschiedene Texte zu Thema vor, von denen wir einige hier dokumentieren:

 

Das schlaucht - Corona Familienalltag

Das schlaucht.Ich arbeite im Büro in Bremen. Mein Mann Robert ist Lehrer am Gymnasium. Wirhaben zwei Kinder. Friedrich ist 8 Jahre alt und Anna ist 4 Jahre alt. Mein Tagesablauf ist routiniert: Aufstehen – mit dem Zug nach Bremen fahren – imBüro arbeiten – nach Hause kommen – die Kinder ins Bett bringen – den Abend mitmeinem Mann auf dem Sofa genießen und den Tag ausklingen lassen. Dann kam er: Der Lockdown. Alles ist anders.

Das Büro in Bremen verwaist. Niemand von den Kolleginnen war noch da. Alle mussten jetzt im Home Office weiterarbeiten. Unser Sohn Friedrich bekam 2 Wochen vor den Osterferien „schulfrei“. Anna konntenicht mehr in den Kindergarten und mein Mann musste nicht zur Arbeit in die Schule. 4 Wochen frei ohne jemanden besuchen, mit anderen spielen, sich treffen zukönnen. Das klang nach Aufregung und die Kinder freuten sich – zumindest über dievielen freien Tage. Wir überlegten, wie wir diese Zeit gemeinsam gestalten könnten.

Robert kümmerte sich um die Kinder, ich machte Home Office. Während ich arbeitete hatte ich das Gefühl, ihm bei den Kindern helfen zu müssen oder zumindest für sie da zu sein. Ich war ja da. Zu Hause. Aber irgendwie doch nicht zu Hause. Ich hatte ja zu arbeiten. Irgendwann musste Robert wieder zur Arbeit im Gymnasium. Friedrich bekam Aufgaben für das neumodische Homeschooling. Irgendwann ging Anna auch wiederin den Kindergarten. Jetzt musste ich meinen Sohn Friedrich bei den Aufgaben unterstützen, aber er macht die Aufgaben nur, wenn ich daneben sitze. Das ist schön, aber parallel Home Office ist praktisch unmöglich.

Friedrich ist von allem, was ich tue abgelenkt. Skype ist ja auch toller als Malfolgen und Rechtschreibung. Meine Kolleginnen kennt er von vor Corona, wenn er mich im Büro besucht hat. Seit Anfang Mai bin ich bis auf vier Tage immer mit den Kindern am Vormittag alleinzu Hause gewesen. Schön! Aber das schlaucht, wenn gearbeitet, Lernen begleitet werden muss.

Bald sind Ferien und ich werde mal wieder ins Büro nach Bremen fahren. Mal einen Tag hin um andere zu sehen, mal rauszukommen und sich zu freuen, nach Hause zukommen. So wie es früher war – im Februar.

(es gilt das gesprochene Wort)

Eine Krankenschwester erzählt

Mit uns Krankenschwestern können sie sich alles erlauben!

Ich arbeite in einem Hamburger Krankenhaus auf der Chirurgie. Da alle geplanten Operationen zu Beginn von Corona erst einmal ausgesetzt wurden und jedes Krankenhaus sogenannte Corona Stationen eröffnen musste, wurde es bei uns auf Station leider auch von heute auf morgen alles anders. Wir waren von heute auf morgen keine Chirurgie mehr, sondern eine Neurologische Station. Das wurde von oben festgelegt, und im Team wurde gar nicht gefragt, was wir dazu zu sagen gehabt hätten. Die Krankenhausleitung hatte sich überlegt, wo welche Fachrichtung liegen sollte und wo die Corona-Stationen, rot und grün genannt, unterkommen sollten. In der Praxis sah es so aus, dass wir die chirurgischen Patienten zu Beginn der Corona Krise noch bis zur Entlassung betreuen durften, während die Station immer mehr neurologische Patienten bekam.

Nach meiner Ausbildung habe ich mich bewusst für die Chirurgie entschieden, da dieses ein sehr interessantes Gebiet ist. Ich liebe es, aufwendige Verbände zu machen, zuzusehen, wie die Wunden heilen, welche Erfolge spezielles Verbandsmaterial hat, was mittlerweile alles in Operationen möglich ist. Nun musste ich von heute auf morgen neurologische Patienten betreuen, obwohl mir dieses Gebiet schon bei der Ausbildung gar nicht zugesagt hatte.

Was blieb mir für eine Wahl? Sollte ich einen Antrag auf Versetzung zu einer anderen Station stellen? Sollte ich mein vertrautes Team verlassen, bei dem ich genau weiß, wie jeder arbeitet und wie ich ihn zu nehmen habe? Ich bleibe und werde versuchen mich in die neue Fachrichtung einzuarbeiten. Das heißt auch, die Fachärzte kennenzulernen und deren spezielle Arbeitsweise. Weil kein Arzt zur Operation muss, findet gefühlt den ganzen Tag Visite statt. Wir Krankenschwestern haben den Eindruck, dass wir nie mit der Arbeit fertig werden, immer wieder gibt es neue Aufgaben wie Anmeldungen zu Untersuchungen oder es wurden Medikamente umgestellt.

Gestärkt hat uns in der Zeit unser Team, gemeinsam haben wir es gemeistert. Keiner wusste, wie lange diese Zeit dauern würde. Einige Ärzte, leider nicht alle, waren sehr darum bemüht, uns die Zusammenhänge zu erklären.

Nicht vergessen darf man in der Zeit die Patienten, für die war es bzw. ist es nicht einfach. Von heute auf morgen gab es keinen Besuch mehr, das Personal trägt Mundschutz, dadurch erkennen die jeweiligen Patienten es schlechter und sie verstehen nicht alles, was mit Mundschutz gesprochen wird. Wir haben versucht, auf die Patienten einzugehen und ihnen die Angst zu nehmen, sie zu stärken, damit sie schnell wieder gesund werden. Da sie keinen Besuch bekommen konnten, haben wir sie unterhalten, obwohl wir kein überschüssiges Personal hatten.

Auf jeden Fall habe ich dadurch gelernt, offen gegenüber Veränderungen zu sein. Ich habe erfahren, dass wir ein starkes Team auf unserer Station haben, welches gemeinsam auch schwierige Situationen meistert. Wir haben schätzen gelernt, was es alles an Gutem auf unserer Station gibt.

(es gilt das gesprochene Wort)

 

Nicht zu fassen! - Evas Bericht

Es war nicht zu fassen!

Hinausgeworfen hat sie uns, ihre eigenen Kinder! Vertrieben aus unserem Garten!

Und damit nicht genug: Sie hat das Gartentor fest verschlossen, sodass es für uns kein Zurück gibt. Und selbst das ist ihr noch nicht sicher genug: Sie hat ihre beiden Wächter davor postiert, die uns zurückweisen, sobald wir uns nähern.

Von einem Augenblick auf den anderen hat sich alles ins Gegenteil verkehrt. Alles ist anders!

In unserem Garten herrschten Frieden und Überfluss. Ohne Anstrengung gab es Nahrung, die Tiere waren unsere Freunde, und unsere Mutter versicherte uns täglich, wie lieb wir ihr seien. Jeder Tag war eitel Freude und Sonnenschein.

Zugegeben, so manches Mal langweilte es mich. Und ich durchstreifte und erkundete immer weitere Teile unseres Gartens, kostete von den Früchten des Feldes und der Bäume, bis ich zu dem Baum kam, der uns streng verboten war. Warum durften wir von seinen Früchten nichts essen? Unsere Mutter hatte uns alles übereignet. Grenzenlos schienen ihre Liebe und Güte. Aber die Früchte vom Baum der Erkenntnis blieben uns versagt? Warum? Was befürchtete sie? Hatte sie Angst um uns?

Als die Schlange mir gut zuredete, ich solle doch trotzdem einen Bissen wagen, ließ ich mich gern überreden. Zu groß war die Erwartung, was passieren würde. Und auch meinem Gefährten Adam gab ich von der Frucht zu essen, er zierte sich nicht.

Doch der Zorn unserer Mutter war gewaltig! Sie duldete keine Erklärung, keine Diskussion, nicht einmal eine Entschuldigung. Es reichte, dass wir ihren Willen missachtet hatten. Und sie vertrieb uns aus unserem Garten.

Unser Leben ist mühsam geworden. Wir arbeiten schwer für Nahrung, Wärme und Schutz vor wilden Tieren. Langeweile spüre ich längst nicht mehr. Auch Adam scheint sich verändert zu haben. Ich sehe erst jetzt, wie schön er ist und wie stark, und ich bin glücklich, wenn er sich zu mir legt. Wenn wir sehen, was wir durch unsere eigenen Hände bewirkt haben, fühlen wir Stolz und Zufriedenheit.

Unsere Mutter hat sich seit ihrem Zornausbruch nicht mehr bei uns blicken lassen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie uns beobachtet und unsere Schritte verfolgt. Doch sie gibt sich nicht zu erkennen.

Alles ist anders geworden.

Aber will ich zurück in meinen Garten?

Soll ich wieder darauf verzichten, mein Leben in meine eigenen Hände zu nehmen?

Alles ist anders!

Aber ist es schlechter?

Alles ist anders…

(es gilt das gesprochene Wort)

 

Gourmet-Nachbarn

Der Kater von Heinz mag am liebsten das Gourmetfutter mit Lachs und Forelle, Woher wir das wissen?

Heinz ist unser Nachbar, 75 Jahre alt und wohnt schon seit 30 Jahren in unserem ruhigen Wohngebiet. Wir grüßen uns, wenn wir uns begegnen, ansonsten wissen wir nichts voneinander. Nachbarn erzählten uns, dass seine Frau vor 10 Jahren verstorben ist.

Der einzige bisherige Kontakt bestand darin, dass sein Kater uns ab und zu besuchte, was bei unserem Kater nicht auf Gegenliebe gestoßen ist.

Aufgrund der aktuellen Corona-Situation haben wir Heinz angeboten, bei unseren wöchentlichen Lebensmitteleinkäufen seine Einkäufe mit zu erledigen, so dass er sich keinem unnötigen Risiko aussetzen muss. Zuerst war er etwas zögerlich, weil er uns keine Umstände bereiten wollte, hat das Angebot dann aber dankend angenommen. Daher sind wir inzwischen auch mit den geschmacklichen Vorlieben seines Katers bestens vertraut. Der Lieferservice klappt prima und ist stets mit einem kleinen Klönschnack an der Haustür verbunden, bei dem auch der Kater seine Streicheleinheiten bekommt.

Da wir kürzlich unseren Urlaub gezwungenermaßen zuhause verbracht haben, hatten wir viel Zeit, unserem Hobby, dem Kochen, nachzugehen und mal wieder neue Rezepte auszuprobieren. Mediterranes Ofengemüse mit Minzsoße, Nudeln mit Lachs-Spinat-Soße, gebratener Saibling auf lauwarmem Spinatsalat und vieles mehr standen auf der Speisekarte.Stets war auch für Heinz eine Portion eingeplant, über die er sich sehr gefreut hat. Ein dekorativ angerichtetes Essen inkl. Nachtisch wurde auf einem Tablett zwei Häuser weitergereicht.Inzwischen essen wir von Zeit zu Zeit gemeinsam – natürlich immer mit Sicherheitsabstand – und genießen diese Zeit.

Durch die neuen regelmäßigen Kontakte haben sich zahlreiche Gespräche entwickelt, in denen wir viel voneinander erfahren haben und die wir als sehr wertvoll erleben. Wir sind fest entschlossen, dieses schöne Ritual auch nach der Corona-Zeit beizubehalten.

Eine schöne Entwicklung, die wir nicht missen möchten.

(es gilt das gesprochene Wort)

 

Der ganz Andere

Es lebte ein Mensch, der schon lange Jahre das Gefühl hatte: „Es muss etwas anders werden.“ Da er das aber nur so ungefähr fühlte und nicht genau wusste, was und wie, wurde er immer unzufriedener. Als er merkte, dass kein guter Wind wehte, machte er sich auf den Weg und sagte zu sich selbst: „Es muss anders werden. Ich werde losgehen und schauen, wo es anders ist. Es muss doch noch ein anderes Leben geben.“

Als er ein Weilchen gegangen war, traf er einen Mönch. Der stand am Wegesrand und betete versunken. Der Mensch betrachtete ihn eine Weile, bis der Mönch aufschaute. „Was tust du da?“, fragte der Mensch. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“, sagte der Mönch. „Anders?“, fragte der Mensch. „Was muss bei dir anders werden?“

„Ach“, sagte der Mönch, „ich habe einst versprochen, mein Leben dem ganz Anderen zu widmen, nämlich Gott selbst. Im Kloster aber ist nichts anders, sondern immer alles gleich, Tag für Tag. Darum hab ich reißaus genommen.“ „Gott ist der ganz Andere?“, fragte der Mensch. „Dann muss ich zu ihm, denn ich habe mich auf den Weg gemacht, weil etwas anders werden muss. Wo finde ich ihn, den ganz Anderen?“ „Dort, wo Himmel und Erde sich berühren“, sagte der Mönch. „Das ist einfach“, sagte der Mensch und blickte zum Horizont. „Ich gehe zu ihm. Komm mit, wenn du nicht anders kannst.“

Zusammen gingen sie weiter. Darauf kamen die beiden an eine großen Straßenkreuzung. Mitten auf der Kreuzung stand ein Umweltaktivist. Der stellte sich mit fuchtelnden Armen jedem Auto in den Weg, das vorbei kam, hielt es an und redete auf die Fahrerin oder den Fahrer ein. „Was hast du vor?“, fragten die beiden ihn. „Es geht doch auch anders!“, rief der Umweltaktivist. „Es geht doch auch anders, als immer und überall hin mit dem Auto zu fahren. Man kann zu Fuß gehen oder das Fahrrad nehmen, oder den Zug. Wenn die Welt überleben soll, dann muss das anders werden.“

„Ei, was“, sagte der Mensch. „Zieh lieber mit uns fort. Etwas anderes als diese verpestete Straßenkreuzung findest du überall. Wir gehen dorthin, wo das Leben anders ist. Zu dem ganz Anderen. Komm mit.“

So zogen sie zu dritt weiter. Etwas später überholten sie eine alte Frau, ganz in Schwarz gekleidet, die ging langsam und mit gesenktem Kopf des Weges. „Was ist mit dir?“, fragten sie. „Ach.“ seufzte sie, „hätte es nicht anders kommen können? Ich bin krank und alt geworden, und doch habe ich meine Tochter zu Grabe tragen müssen. Gerade komme ich vom Friedhof und wünschte, ich hätte an ihrer Statt gehen können.“

Da seufzten alle drei mit ihr. Der Mönch sagte: „Es wird anders kommen, gute Frau. Für Dich, für deine Tochter, für uns alle.

Wir gehen zu Gott, der versprochen hat, dass eine andere Welt, ein anderes Leben auf uns wartet. Eines ohne Tränen, ohne Schmerzen, ohne Leid. Zieh mit uns fort. Etwas besseres als den Tod findest du überall. Dort hinten, wo Himmel und Erde sich berühren, dort lässt er sich finden.“

So gingen sie zu viert noch eine Weile, bis sie schließlich, als es schon Abend wurde, ankamen an dem Ort, wo Himmel und Erde sich berührten. Dort leuchtete die Sonne noch glutrot über dem Horizont, dort rauschte der Wind in den Bäumen, und es brannte ein Feuer. Sie betrachteten es eine Weile aus sicherer Entfernung. Außer ihnen ließ sich keine Seele blicken.

Schließlich traute sich der Mensch, der sich als erster auf den Weg gemacht hatte, auch als erster und ging allein zum Feuer. Die anderen sahen ihm zu, wie er dort eine Weile am Feuer stand. Dann kehrte er zu ihnen zurück. Und sie sahen auf seinem Gesicht ein Leuchten, dass sie sich nicht erklären konnten. „Und, was hast du gesehen, im Feuer? Ist er dort, der ganz Andere?“, fragten sie.

„Mir war,“ sagte der Mensch, „als habe ich in den Flammen mich selbst gesehen. Und mir war, als hörte ich eine Stimme, die sprach: „Ich bin, der ich bin, der ganz Andere. Du bist das Licht der Welt, Salz der Erde. Du machst den Unterschied. So lass dein Licht leuchten vor den Leuten.“

Daraufhin ging der Mönch ans Feuer, stand dort eine Weile und kehrte zu den anderen zurück. Sie wussten im selben Augenblick, dass sie ihn nicht fragen brauchten, was er gesehen habe. Sondern sie fragten nur: „Was hat die Stimme gesagt?“ Der Mönch sagte: „Ich bin, der ich bin, der ganz Andere. Wenn du mich von ganzem Herzen und von ganzer Seele suchst, will ich mich von Dir finden lassen.“

Daraufhin ging der Umweltaktivist zum Feuer, kehrte nach einer Weile zurück und sagte ihnen, was er gehört hatte: „Ich bin, der ich bin, der ganz Andere. Stein und Baum singen mir ein Loblied. Der Garten der Schöpfung, siehe er ist sehr gut. Den sollst Du bebauen und bewahren.“

Und schließlich ging auch die Frau in Schwarz zum Feuer und berichtete, was sie gehört hatte: „Ich bin, der ich bin, der ganz Andere. Mensch wie Du. Komm, mühselig und beladene, ich führe dich zur frischen Aue.“

So standen sie alle gemeinsam an dem Ort, an dem sich Himmel und Erde berührten, blickten ins Feuer, leuchteten in der untergehenden Sonne, und hörten in den Bäumen wie ein Rauschen: „Ich bin, der ich bin, der ganz Andere. Einen neuen Geist gebe ich euch und lege mein Wort in Euer Herz. Und ihr werdet mein Volk sein und ich werde Euer Gott sein.“

(es gilt das gesprochene Wort)